Sao Paulo     

  

 Erfahrungen gemacht in einer Mega-City 

 Wer als Brasilianer keine Geburtsurkunde nachweisen kann oder nie besessen hat – und davon gibt es eine ganze Reihe Mitbürger – ist deshalb noch lange nicht illegal im eigenen Land. Aber wer sich ohne Aufenthaltsgenehmigung hier befindet, sich unbefugt ins Land geschlichen hat, auf den kommen einige Hürden zu, denn er kann seine ordnungsgemäße Einreise nicht nachweisen. Er kann keine CPF beantragen, zum Bespiel. Ohne diese kleine Steuerkarte kann man kein Konto eröffnen, keinen Telefonanschluss oder Internetzugang beantragen. Man kann kaum ein Elektrogerät kaufen, oder einen Lotteriegewinn abholen und sei er auch noch so klein. Es ist einem verwehrt, am Postamt Einschreibbriefe in Empfang zu nehmen oder Warenlieferungen zu empfangen. Ja man bekommt nicht mal einen TV-Anschluss geliefert. Die Idee ein Handy anzuschaffen kann man ebenfalls vergessen. Geld empfangen über Western-Union in Brasilien kein Problem, aber ohne CPF hat man keine Chance, es in Empfang zu nehmen. Die CPF – Cadastro de Pessoa Física (übersetzt: Registrierung als natürliche Person) ist die Grundlage jeden Handelns, man ist damit beim zuständigen Finanzamt registriert. Ohne kann man keine Geschäfte tätigen, keine Grundstücke kaufen, Auto mieten, geschweige denn kaufen – selbst wenn man die Taschen voller Geld hat. Und man kann auch keine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, denn dazu ist die CPF eine Grundlage. Als Illegaler kommt man nicht in den Besitz eines Personalausweises und sollte man irgendwo versehentlich seinen Pass vorlegen, welcher keinen ordentlichen Einreisevermerk ausweist, wird dieser meist „bis zur Klärung“ eingezogen und das kann in Brasilien dauern. 

Die Staatsanwälte haben wahrlich besseres zu tun. Als Illegaler kommt man in keine Wählerliste, kann also seiner Wahlpflicht nicht nachkommen. Lückenloser Nachweis, dass man seiner Wahlpflicht nachgegangen ist, ist in dieser Demokratie wichtig – sofern man die Staatsbürgerschaft hat. Natürlich kommt man auch an keinen Personalausweis, Führerschein oder Metrokarten. Der Illegale bleibt in Brasilien komplett außen vor. Zimmer im Hotel anmieten, oder gar ein Appartement ergattern, das alles ist einem verwehrt. In der Illegalität leben, da bleiben nur die Armenviertel, man begibt sich in Abhängigkeiten zu anderen Menschen, muss auf Biegen und Brechen vertrauen und wird oft leise lächelnd übers Ohr gehauen. 

Nicht einmal die Chance auf eine Heimreise ist einem gegeben, weil entweder das Geld fehlt oder man in einem Reisebüro die notwendigen Unterlagen, wie das zollamtliche Einreiseformular nicht nachweisen kann. Es mag dem einen oder anderen verrückt erscheinen, aber selbst nach zehn Jahren Brasilien und Aufenthaltsgenehmigung habe ich immer noch mein Flugticket und mein Einreiseformular vom Zoll in einer Akte aufbewahrt – seit 2002! Illegal in Brasilien, das ist wie als Kind zu Weihnachten mit der Nase von draußen an den Schaufenstern der weihnachtlichen Dekorationen zu kleben ohne die geringste Chance, eines der Geschäfte betreten zu dürfen. Als Illegaler kann man keine ordnungsgemäßen Geschäfte machen, entweder man macht krumme Dinger oder gar keine. Schnell landet man dann in einem der ausgelegten Fangnetze der Behörden und anschließend in einer Zelle. Wenn man ein wenig Vermögen mitgebracht hat, hat man die Qual, jeden Tag zuzuschauen, wie es ständig weniger wird. Das ist keine Basis, um ein Leben aufzubauen!

 

 

 

Kleine Eigenwerbung: